4. Internationaler ADTKD Summit 

Hier finden Sie einen Bericht über das wissenschaftliche Programm des 4. Internationalen ADTKD-Summit, der am 4. April 2025 online stattgefunden hat. Internationale Top-Wissenschaftler gaben einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu dieser seltenen Nierenerkrankung. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Rare Kidney Disease Foundation (RKDF), der US-amerikanischen Patientenorganisation für ADTKD.

Zu Beginn der Veranstaltung berichteten Betroffene über ihre Erfahrungen mit ADTKD. Sie ermöglichten einen Einblick, wie die Familien durch die Erkrankung belastet sind und wie sie damit umgehen. Diese emotionalen Geschichten machten deutlich, wie wichtig es ist, eine Therapie für ADTKD zu entwickeln. Wenn Sie mehr über die betroffenen Familien erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen, sich die Aufzeichnung des Videos anzusehen (in Englisch).

KLINISCHE UND GENETISCHE SPEKTREN VON ADTKD ADTKD-UMOD BASIC
Holly Mabillard, Newc
astle, GB

Die autosomal dominante tubulointerstitielle Nierenerkrankung (ADTKD) ist charakterisiert durch eine interstitielle Nierenfibrose, eine Schädigung der Tubuli, einen typisch hellen Urinb mit wenig oder gar keinem Eiweiß oder Blut und einer fortschreitenden Nierenfunktionsstörung. Sie gehört neben dem Alport-Syndrom und der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD) zu den drei häufigsten vererbten Nierenerkrankungen und macht etwa 5% aller monogenen chronischen Nierenerkrankungen aus. „Monogen“ bedeutet, die Ursache ist eine Veränderung in einem bestimmten Gen. In der Vergangenheit war ADTKD auch als medulläre zystische Nierenerkrankung oder familiäre juvenile hyperurikämische Nephropathie bekannt.


Die häufigsten Subtypen der ADTKD werden durch Mutationen in den Genen UMOD und MUC1 verursacht. Durch diese Mutationen kommt es zu einer intrazellulären Anhäufung fehlgefalteter Proteine (Uromodulin und Mucin-1), was zu Stress im endoplasmatischen Retikulum und anschließender Fibrose führt. Weniger häufige Subtypen betreffen die Gene REN, HNF1B und SEC61A1. Diese führen häufig zu Symptomen auch außerhalb der Nieren.


Aufgrund ihres unspezifischen klinischen Erscheinungsbildes bleibt ADTKD oft unerkannt. Viele Betroffene werden erst identifiziert, wenn ein Familienmitglied positiv getestet wurde oder Laborergebnisse auffällig sind. Klassische Merkmale wie Gicht in der Jugend sind vor allem für UMOD-Mutationen charakteristisch. Bei ADTKD können Nierenzysten auftreten, die aber in der Regel nicht zu einer Vergrößerung der Nieren führen. Die Ausprägung der Krankheit kann innerhalb derselben Familie erheblich variieren. Mehrere Faktoren können dabei eine Rolle spielen:

  • Modifizierende Gene können selbst bei gleicher primärer Mutation den Schweregrad und die Geschwindigkeit des Krankheitsverlaufs verändern.
  • Umwelteinflüsse wie Ernährung, Lebensstil und Giftstoffe können sich auf die Belastung und Schädigung der Nieren auswirken.
  • Epigenetische Faktoren regulieren, wie stark sich eine Mutation auf die Proteinexpression und die Stressreaktionen der Zellen auswirkt.


Die Diagnose der ADTKD stützt sich auf Gentests, wobei die Standardmethode Next Generation Sequencing (NGS) ist. Der Nachweis von MUC1-Mutationen ist besonders schwierig und erfordert spezielle Technologien. Wichtig ist, dass ein negatives genetisches Ergebnis ADTKD nicht ausschließt; es kann sich auch um noch unbekannte genetische Varianten (ADTKD-NOS) handeln.


Die Referentin ging auf mehrere verbreitete Missverständnisse ein, wie etwa den Glauben, dass Gentests unnötig sind, weil es keine Behandlung gibt. Sie betonte, dass ein positives Testergebnis relevant ist für die Forschung, die Beratung der betroffenen Familien und den Zugang zu klinischen Studien. In Großbritannien gibt es (ebenso wie in Deutschland) die Möglichkeit, ADTKD mittels genetischer Präimplantationsdiagnostik (PID) vorgeburtlich zu bestimmen.

Epidemiologisch wird ADTKD hauptsächlich in Europa und Nordamerika festgestellt, was wahrscheinlich eher darauf zurückzuführen ist, dass es einen guten Zugang zur Diagnostik gibt. Bemerkenswert ist, dass eine einzige UMOD-Mutation für mehr als die Hälfte der Fälle in Großbritannien verantwortlich ist, was eine einzigartige Basis für eine gezielte Forschung darstellt.

 

Im Mittelpunkt der Forschung stehen aktuell:

  • Genotyp-Phänotyp-Korrelationen,
  • genetische Modifikatoren,
  • Biomarker,
  • Mechanismen der Proteinfehlfaltung und Stressreaktionen,
  • therapeutischen Strategien.


ADTKD dient als Modell zur Untersuchung der Nierenfibrose, was möglicherweise auch für die Behandlung anderer Nierenerkrankungen bedeutsam sein kann.

FORTSCHRITTE IN DER GENETISCHEN TESTUNG VON ADTKD
Guillaume Dorval, Paris, FR

ADTKD ist eine genetisch heterogene Erkrankung ohne spezifischen klinischen Phänotyp (Erscheinungsform), was ihre Diagnose generell erschwert. Eine besondere diagnostische Herausforderung stellt die Diagnose von ADTKD-MUC1 dar. Sie kann mit NGS nicht diagnostiziert werden, daher ist anzunehmen, dass es noch viele unentdeckte Fälle gibt.

 

Von Hassan Saei und Kollegen wurde VNtyper  entwickelt, ein neuartiges Bioinformatik-Tool, das die Beschränkungen der Short-Read-Sequenzierung beim Nachweis von MUC1-Mutationen beseitigen soll. VNtyper rekonstruiert die Sequenz der VNTR-Region aus Patientendaten und vergleicht sie dann mit bekannten VNTR-Strukturen, um Abweichungen zu ermitteln, die auf pathogene Varianten hindeuten. Diese Methode ermöglichte es dem Forschungsteam, bekannte Mutationen bei 96 Patienten erneut zu identifizieren und 13 neue ADTKD-Fälle zu entdecken, darunter auch Patienten, bei denen zunächst kein Verdacht auf eine MUC1-bedingte Erkrankung bestand.

 

Zur weiteren Validierung wurde VNtyper zur Analyse großer Kohorten eingesetzt. Es konnten 33 neue Indexfälle identifiziert werden, von denen einige neu in der jeweiligen Familie oder zunächst fehldiagnostiziert waren. Wichtig ist, dass VNtyper neben der allgemein bekannten DupC-Mutation neue MUC1-Varianten aufdeckte und damit das genetische Spektrum der bekannten ADTKD-verursachenden Mutationen erweiterte.

 

VNtyper ist kein Ersatz für die Long-Read-Sequenzierung, die nach wie vor der Goldstandard für die MUC1-Analyse ist. Das Tool füllt jedoch eine kritische Lücke, indem es ein groß angelegtes, zugängliches und unüberwachtes Screening aus allgemein verfügbaren Exom- oder Genomdaten ermöglicht.

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GENETISCHE TESTUNG IN DER KLINISCHEN PRAXIS
Hila Milo Rasouly, Columbia, USA

Dieser Vortrag bot einen umfassenden Überblick über die Integration von Gentests in die nephrologische Praxis und konzentrierte sich auf die Fragen, warum, wann und wie solche Untersuchungen durchgeführt werden sollten.

 

Warum Gentests?

Eine der Kernbotschaften lautete, dass Nephrologen Gentests nicht behindern sollten. Selbst wenn sie mit den Einzelheiten der genetischen Untersuchung nicht vertraut sind, können sie potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten erkennen und sie entsprechend überweisen. Für Interessierte gibt es Weiterbildungsprogramme im Bereich Nephrogenetik.

 

Es gibt viele Gründe, die für einen Gentest sprechen:

  • Die Ursache einer Erkrankung kann damit gefunden werden.
  • Die Prognose lässt sich besser einschätzen.
  • Die Befunde sind wichtig, wenn Familienmitglieder als Spender in Frage kommen.
  • Die Behandlung kann an die spezifischen Eigenschaften der Erkrankung angepasst werden. Möglicherweise sind Patientinnen und Patienten für klinische Studien geeignet. Ob Studien zu dieser Erkrankung laufen, lässt sich hier nachschauen:

         o   clinicaltrials.gov,

         o   reporter.nih.gov

         o   orphanet.net

  • Genetische Erkenntnisse können die Familienplanung unterstützen und helfen, Kontakt zu anderen betroffenen Patientinnen und Patienten herzustellen.
  • Oftmals verschafft die genetische Diagnose den Familien nach Jahren der Unsicherheit Klarheit.

 

Wann sollte man eine genetische Untersuchung veranlassen?

Bei Vorliegen bestimmter „red flags“ sollten Ärztinnen und Ärzte proaktiv eine genetische Untersuchung vorschlagen. Dazu gehören:

  • Nierenerkrankungen in der Familienanamnese,
  • atypische klinische Erscheinungen,
  • Symptome außerhalb der Niere (z. B. Gicht),
  • ein früher Krankheitsbeginn,
  • eine unbekannte Ätiologie oder
  • der Verdacht auf eine bestimmte genetische Erkrankung.

 

Die informierte Zustimmung der Patienten ist ein wichtiger Bestandteil der genetischen Diagnostik. Die Betroffenen sollten den Zweck, die möglichen Ergebnisse, die Folgen für sich selbst und ihre Familienangehörigen sowie die Bedeutung unklarer oder negativer Befunde verstehen. In komplexen Fällen - wie z. B. ADTKD mit MUC1-Varianten - sollten Spezialisten hinzugezogen werden, da die Standardtests hier nicht ausreichen.

 

Krankengeschichte und Stammbaum der Familie

Die medizinische und familiäre Vorgeschichte ist entscheidend, um beurteilen zu können, ob eine genetische Erkrankung wahrscheinlich ist. Zu den Schlüsselfaktoren gehören:

  • das Alter bei Krankheitsbeginn,
  • die Progressionsrate,
  • das Vorhandensein von nicht nierenbezogenen Symptomen
  • ein detaillierter Familienstammbaum über drei Generationen.

 

Ärztinnen und Ärzte sollten systematisch nach Krankheitsmustern und unerklärlichen Gesundheitsereignissen bei Verwandten suchen.

 

Genetische Beratung und Überweisung

Eine genetische Beratung hilft den Patientinnen und Patienten bei der Entscheidungsfindung. Die Referentin empfahl das NSGC-Tool „Find a Genetic Counselor“, um auf Nephrologie spezialisierte Berater in den USA ausfindig zu machen, und Orphanet und ERKNet , um Experten für seltene Krankheiten in Europa und darüber hinaus zu finden.

SUCHE NACH BIOMARKERN
Greg Papagregoriou, Cyprus, ZY; Anthony Bleyer, Wake Forest
, USA

Trotz intensiver Bemühungen ist ein zuverlässiger Biomarker für die Krankheitsaktivität bei ADTKD nach wie vor nicht verfügbar. Das biobank.cy Center of Excellence an der Universität von Zypern steht bei der Erforschung von ADTKD an vorderster Front und konzentriert sich insbesondere auf die MUC1-Variante (früher als MCKD1 bekannt). Es hat sich zu einem translationalen Forschungsprogramm entwickelt, das klinische Längsschnittdaten, Biobanking und die Identifizierung von Biomarkern kombiniert.

 

Eines der auffälligsten epidemiologischen Ergebnisse ist die hohe Prävalenz der MUC1-Mutation im westzypriotischen Bezirk Paphos, wo von mehr als 400 getesteten Personen über 160 positiv getestet wurden. Dies entspricht einer Häufigkeit von etwa einem von 580 Individuen - eine signifikante Konzentration für eine seltene genetische Krankheit.

 

Die Hauptstrategie des Teams besteht darin, Biomarker zu entwickeln, die:

  • robust und allgemein zugänglich sind;
  • multiparametrisch sind und die komplexen klinischen Manifestationen der Krankheit widerspiegeln;
  • biologisch relevant und krankheitsspezifisch sind, um gezielte klinische Studien zu ermöglichen.

 

Basis für die Forschung ist eine Längsschnittbeobachtungsstudie, die seit über 8 Jahren durchgeführt wird. In dieser Studie wird der natürliche Verlauf von ADTKD bei 46 betroffenen Personen und 29 genetisch verwandten Kontrollpersonen aus derselben Region verfolgt, wobei auch Umweltvariablen einfließen. Die Biobank enthält biologische Proben (Urin, Plasma und Serum), die für retrospektive Biomarker-Analysen verwendet werden, wobei der Schwerpunkt auf extrazellulären Urinvesikeln (uEVs) liegt. Diese Bläschen in Nanogröße sind ein vielversprechendes nicht-invasives „Flüssigbiopsie“-Instrument.

 

Eine große Herausforderung bei der Erforschung seltener Krankheiten wie ADTKD ist die Heterogenität. Das Team setzt maschinelles Lernen ein, um Patientinnen und Patienten auf der Grundlage ihres Krankheitsverlaufs zu klassifizieren und so besser definierte Kohorten für künftige Studien bereitzustellen. Durch die Zusammenfassung der Daten von 130 Patienten aus 40 Jahren und Clustering haben die Forscher Untergruppen mit unterschiedlichen Progressionsraten abgegrenzt. Diese Erkenntnisse sind der Schlüssel zur Entwicklung von Prognoseinstrumenten und zur Festlegung von Endpunkten für klinische Studien.

 

Zu den Parametern, die bei der Modellierung verwendet werden, gehören eGFR, Harnstoff, die fraktionierte Ausscheidung von Magnesium und spezifische Proteine wie C53. Das Team wendet auch Techniken zur Dimensionsreduzierung an, um die Vorhersage von Krankheitsverläufen zu ermöglichen. Mithilfe von frühen Surrogat-Endpunkten können die Dauer und die Kosten klinischer Studien reduziert werden.

 

Multi-Omics-Ansätze, die auf uEVs angewandt werden, und Proteomik, Transkriptomik und Metabolomik umfassen, ermöglichen einen personalisierten medizinischen Ansatz, mit dem individuelle Krankheitssignaturen und potenzielle Zielstrukturen für Medikamente identifiziert werden können. Diese Daten unterstützen die Entwicklung von gezielten Biomarker-Tests. In einer früheren Biomarker-Studie mit Vitamin D, das als Modulator von Wildtyp- und mutierten Formen von MUC1 identifiziert wurde, konnte einen massenspektrometriebasierten Assay (IMRM) zum Peptidnachweis im Urin validiert werden.

 

Das Forschungsteams ist in das europäische ADTKD-Register  eingebunden. Nachdem die Substanz BRD4780 und andere Wirkstoffe identifiziert wurden, die potenzielle Therapeutika darstellen, ist der Bedarf an robusten Echtzeit-Biomarkern deutlich geworden. Das biobank.cy-Team bemüht sich aktiv, diese bereitzustellen.

 

Anthony Bleyer betonte, dass für die Entwicklung von Therapien zuverlässige Biomarker benötigt werden. Anders als bei der diabetischen Nephropathie, bei der die Proteinurie als robuster und dynamischer Biomarker dient, gibt es bei der ADTKD derzeit keine gleichwertigen Indikatoren, um das Fortschreiten der Krankheit zu verfolgen oder die Wirksamkeit der Behandlung effektiv zu bewerten.

 

Ein Biomarker ist definiert als messbarer Indikator für einen biologischen Zustand, der prädiktiv/prognostisch, diagnostisch oder ein Marker für die Krankheitsaktivität sein kann. Der prädiktive Rampoldi-Score, der Western Blotting von UMOD-Mutationen verwendet, um intrazelluläre Verarbeitungsdefekte mit dem klinischen Schweregrad und dem Fortschreiten des Nierenversagens zu korrelieren, ist für die Therapieüberwachung nicht geeignet.

 

Marker für die Krankheitsaktivität - wie Proteinurie oder Sedimentationsrate bei anderen Nieren- oder Entzündungskrankheiten - sind bei ADTKD nach wie vor schwer zu finden. Dr. Bleyer verdeutlichte den Bedarf an dynamischeren Biomarkern mit einer Analogie zwischen dem Serumkreatinin als Tankanzeige (zur Messung kumulativer Schäden) und einem Tachometer (zur Messung der aktuellen Krankheitsaktivität).

 

Die Herausforderungen bei der Entdeckung von Biomarkern für ADTKD sind erheblich. Die Seltenheit der Krankheit schließt große, langfristige Kohortenstudien aus. Das Fortschreiten der Krankheit ist langsam und nicht linear, was insbesondere für Forscher frustrierend ist, die versuchen, die Abnahme der eGFR (~2 ml/min/Jahr) als aussagekräftigen Endpunkt zu verwenden. Die Variabilität der GFR aufgrund des Hydratationsstatus, diätetischer Einflüsse und kurzfristiger Schwankungen erschwert die Zuverlässigkeit der Biomarker zusätzlich.

 

Der Nutzen von Biomarkern ist stark kontextabhängig. Ein Beispiel:

  • Ein Medikament, das die UMOD-Gesamtproduktion reduziert, könnte über Urin/Plasma-UMOD verfolgt werden.
  • Auf die Produktion von mutiertem UMOD abzuzielen, ist schwieriger und wird noch untersucht.
  • Ein Medikament, das die tubulointerstitielle Fibrose beeinflusst, würde bildgebende oder biopsiebasierte Endpunkte erfordern.

 

Das Gleiche gilt für MUC1, das sich von UMOD dadurch unterscheidet, dass es nicht gespalten wird, sondern in Exosomen verbleibt. Die Messung von mutiertem MUC1 ist technisch schwierig und wird dadurch erschwert, dass es in verschiedenen Geweben exprimiert wird. Neuere Strategien, einschließlich Speichel- oder Talgdrüsenbiopsien, könnten besser zugängliche Ersatzmarker liefern.

 

In Wake Forest wurden zwar viele Biomarker-Kandidaten getestet - darunter KIM-1, NGAL, TNF-Rezeptoren, DKK3, MCP-1 -, aber keiner hat einen ausreichenden Nutzen bei ADTKD gezeigt. Die Bildgebung ist zwar vielversprechend, wird aber durch den Mangel an historischen Daten und die komplexe Interpretation von Nierenveränderungen im Laufe der Zeit eingeschränkt. Biopsiestudien werden durch Stichprobenfehler und das Fehlen robuster Längsschnittkohorten eingeschränkt.

 

Die im September 2024 in den USA gestartete OPTIMUM-Studie zielt darauf ab, die Entdeckung von Biomarkern durch eine Kombination aus patientengeführten Längsschnittdaten, Ultraschall und Nierenelastographie zu beschleunigen. Die Studie stützt sich auch auf eine gut charakterisierte Biobank von 150 Patienten mit umfassenden Plasma- und Urinsammlungen. Für die Validierung neuer Markerkandidaten werden Kooperationen aktiv gefördert. Eine kontinuierliche Zusammenarbeit, die offene Weitergabe von Proben und Omics-Ansätze bieten den besten Weg nach vorn. Forscher mit neuen Hypothesen oder Biomarker-Kandidaten sind herzlich eingeladen, zu diesem gemeinsamen Vorhaben beizutragen.

 

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TMED-CARGO-REZEPTOR ALS ZIELSTRUKTUR BEI ADTKD-UMOD
Silvana Bazua Valenti, Broad Institute, USA

ADTKD-UMOD wird durch Mutationen im UMOD-Gen verursacht, die zur Produktion einer fehlgefalteten Form des Uromodulin-Proteins führen. Dieses fehlgefaltete Protein bleibt im Inneren der Nierenzellen, insbesondere im endoplasmatischen Retikulum (ER), stecken, anstatt an die Zelloberfläche transportiert und in den Urin ausgeschieden zu werden. Die Ansammlung des fehlgefalteten Proteins führt zu ER-Stress, fördert Entzündungen und Fibrose und trägt zu einer fortschreitenden Nierenschädigung bei.

 

Jüngste Forschungen haben gezeigt, dass TMED-Frachtrezeptoren, insbesondere TMED2 und TMED9, dabei eine Schlüsselrolle spielen. In einem Mausmodell von ADTKD-UMOD wurde festgestellt, dass ein kleines Molekül, BRD4780, das mutierte Protein aus diesen intrazellulären Kompartimenten wieder freisetzen kann. Weitere Analysen zeigten, dass BRD4780 den Transport des fehlgefalteten Proteins in Richtung Abbauwege erleichterte und seine Sekretion in den Urin erhöhte. Durch die Behandlung mit BRD4780 reduzierten sich die Entzündungs- und Fibrosemarker im Nierengewebe der betroffenen Mäuse deutlich. Um die Relevanz für den Menschen zu beurteilen, wurden Nierenorganoide von ADTKD-UMOD-Patienten verwendet. Diese bestätigten die zuvor an Mäusen gewonnenen Erkenntnisse.

 

Diese Ergebnisse zeigen, dass die TMED-Frachtrezeptoren vielversprechende Angriffspunkte für die Bekämpfung der Ursache von ADTKD-UMOD darstellen. Indem der zugrunde liegende Defekt im Proteinverkehr korrigiert wird, könnte diese Strategie einen Weg zu krankheitsmodifizierenden Behandlungen bieten.

THERAPIEN AM HORIZONT
Anna Greka, Broad Institute, USA

Dr. Greka und ihr Team, das an der Schnittstelle zwischen Humangenetik und therapeutischer Entwicklung arbeitet, haben erhebliche Fortschritte beim Verständnis der Ursachen von ADTKD gemacht, insbesondere bei den Genmutationen MUC1 und UMOD. Die Forschungsstrategie begann mit der Identifizierung der genetischen Mutation, entschlüsselt dann, wie das fehlerhafte Gen die Krankheit auf zellulärer Ebene verursacht und zielt schließlich darauf ab, die Funktionsstörung durch gezielte Therapien zu korrigieren. Ein wichtiger Durchbruch war die Identifizierung von BRD4780, einem kleinen Molekül, das den Abbau von mutierten MUC1- und UMOD-Proteinen fördert.

 

Eine Behandlung, die auf der Grundlage dieser Forschungsarbeiten entwickelt wurde, befand sich in der Vorbereitung für klinische Versuche, wobei jedoch in letzter Minute eine unerwartete Toxizität auftrat. Dieser Rückschlag war zwar enttäuschend, lieferte aber wertvolle Daten und bestärkte das Team in seinem Engagement für Sicherheit und gründliche Untersuchungen. Derzeit wird an der Entwicklung einer neuen, sichereren Version des Wirkstoffs gearbeitet, wobei die klinischen Versuche der Phase 1 voraussichtlich um 2027 beginnen werden, sofern die präklinischen Ergebnisse erfolgreich sind.

 

Wichtig ist, dass dieser Mechanismus, an dem die TMED-Proteinfamilie beteiligt ist, nicht nur für Nierenkrankheiten relevant zu sein scheint, sondern auch für andere genetische Erkrankungen, bei denen fehlgefaltete Proteine eine Rolle spielen - darunter einige Formen der Alzheimer-Krankheit, Retinitis pigmentosa sowie Leber- und Lungenerkrankungen. Diese breitere Anwendbarkeit könnte das Interesse und die Investitionen von Pharmapartnern erhöhen und die Arzneimittelentwicklung beschleunigen.

 

Das Forschungsteam erforscht auch therapeutische Strategien der nächsten Generation, darunter Antisense-Oligonukleotide, siRNA-Therapien und Gen-Editing-Ansätze.

 

Um diese Bemühungen zu unterstützen und auszuweiten, haben Dr. Greka und ihre Kollegen den Ladders to Cures Accelerator am Broad Institute ins Leben gerufen. Diese Initiative zielt darauf ab, den Weg von der Entdeckung bis zur Therapie bei allen seltenen genetischen Krankheiten zu beschleunigen, mit besonderem Schwerpunkt auf denjenigen, die Kinder betreffen.

 

Patienten und Familien werden ermutigt, sich an Registern  zu beteiligen. Die Registrierung hilft den Forschern, klinische Studien zu planen und ermöglicht so möglicherweise den internationalen Zugang zu neuen Behandlungen, sobald die Studien beginnen.


Die Videoaufzeichnung vom zweiten Tag (Patiententag) finden Sie hier (in Englisch):